Ninas Länderfazit Kambodscha

Länderfazit Kambodscha (Nina)

 

 

 

Gesamteindruck: Einiges war gut, aber insgesamt bleiben zu viele Fragezeichen

 

 

 

Meine Vorstellungen von Kambodscha waren völlig falsch! Ich hatte in Reiseführern und –berichten gelesen, dass man in Siem Reap mit dem Ochsenkarren vom Flughafen abgeholt würde, der Ochsenkarren das vorherrschende Transportmittel sei. Das Land habe zwar touristisch nicht viel zu bieten, das eigentliche Highlight seien die Menschen, was man auch am Khmer- Lächeln erkennen würde. Angkor Wat hielt ich für einen vom Dschungel zugewucherten Tempel, den man erst nach stundenlangem Marsch durch den Dschungel von den Lianen freischaufeln müsste. Im Kopf hörte ich beinahe die Papageien rufen und vor Augen sah ich die Paviane, die es dort so massenhaft geben sollte.

 

Vor Phnom Penh und Sihanoukville fürchtet ich mich, weil in den Reiseführern stand, dass es dort so gefährlich sei.

 

 

 

Die Wirklichkeit sah völlig anders aus!!!

 

 

 

Ich kann diesmal nicht in „Was mir gut gefallen hat“ und „Was mir nicht gut gefallen“ hat unterteilen, weil es sich nicht so einfach fassen lässt. Daher nur Stichpunkte:

 

 

 

- Die Ausflüge, die wir gemacht haben, waren wirklich nett: Die Delfine und das Baden im Mekong,  der Besuch auf der Pfefferplantage, die Krokodil- Farm, die Fledermaus- Höhle und der Zirkus. Das alles hat mir gut gefallen und alles war neu und interessant.

 

- Kep ist ein schnuckeliger Ort mit kleinem Badestrand. Dort konnte man erahnen, wie es vor 100 Jahren ausgesehen haben muss, als dies noch Kep-sur-mer war und die stattlichen französischen Villen noch Besitzer hatten (nun, da die Roten Khmer alle Grundstücksbücher vernichtet haben, sind die Besitzverhältnisse ungeklärt und die Villen verfallen).

 

- Sihanoukville ist touristisch, aber längst nicht so gefährlich, wie es in den Reiseführern stand. Eigentlich gar nicht gefährlich. Die Mafia- Polizei zockt Traveller, die Moped fahren ab, aber ansonsten hat man dort nichts zu befürchten. Mag sein, dass manch dummer Reisender, der mit Handtasche rumläuft, von einem Moped-Gangster beklaut wird. Das kann einem aber auch anderswo passieren, das weiß man. Und tagsüber passiert sowieso nichts! Die Strände von Sihanoukville sind nett, dort lässt es sich gut verweilen. Im Papagayo- Guesthouse haben wir einige nette und entspannte Abende verlebt. Das Personal war total freundlich!

 

- Phnom Penh ist nicht so modern wie Bangkok, aber auch kein Moloch, wie ich es glaubte, als ich im Reiseführer las, dass manch Reisender sich nicht aus dem Hotel traut, nachdem er die Horrorstories der Hoteliers gehört hat. So ein Quatsch! In den Hotelzimmern stehen Verhaltensregeln, u.a. dass man keine Prostituierten mitbringen darf, dass man sich auf kein Glücksspiel einlassen soll etc. Mit gesundem Menschenverstand kein Problem! Der Königspalast war nett, aber nicht überwältigend. Den Spielplatz fand ich richtig gut!!!

 

- Battambang hat mir noch mit am besten gefallen. Eine mittelgroße Stadt mit französischer Prägung: Flaniermeile am Fluss mit Spielplatz und Freiluftfitnesspark, abends Open- Air- Gymnastik. Nett, gemütlich. ABER: In zwei oder drei Nächten wurde durchgängig Bumm-bumm- Musik in einer Lautstärke gespielt, dass an Schlafen kaum zu denken war. Nachts um 4!!! Und das Ganze endete dann morgens um 9, wenn alle wach waren und keiner mehr schlafen konnte. Was soll das? Wer braucht das???

 

Unsere vietnamesisch-chinesische Gastwirtin hat mich ordentlich übers Ohr gehauen, indem sie mir einen 20- Dollar- Schein andrehte, der in Siem Reap (Ballonfahrt) nicht gewechselt wurde.

 

- Insgesamt verstehe ich die Kambodschaner so gar nicht: Das komplette Land ist vermüllt. Das kennen wir ja schon zum Teil aus Thailand und Laos. Aber so schlimm wie hier habe ich es dort nicht empfunden. Der Strand in Kep, zu dem unser Tuk-Tuk- Fahrer umständlichst hingefahren ist, war ein Anschlag auf die Gesundheit: tote Seesterne, gebrauchte Windeln, Zigarettenkippen … dort soll man baden und eventuell noch Mittagessen??? Lieber nicht! In Siem Reap liegen die Kanäle voller Müll, ekeliger geht es wirklich nicht mehr. Nicht nur, dass sie ihre Umwelt kaputt machen, dass sie ihre Gesundheit kaputt machen… es ist doch auch eine Frage der Ästhetik. Wie kann man freiwillig auf einer Müllhalde leben. Wenn sie den Müll wenigstens IGRENDWO auf einem Haufen sammeln würden, wenigstens EIN Haufen… keine Chance!!! Dieses Gen scheint ihnen zu fehlen!

 

- Es gibt so vieles, was ich nicht nachvollziehen kann: Wir fahren Bus, das Ehepaar neben uns hat ihr Kleinkind nackig auf dem Sitz sitzen (bäh!) und lässt den Knaben lautstark ein Video auf dem Handy hören. Als wir darum bitten, dass es leiser gemacht wird, weil wir lesen möchten, kommt die Antwort: „Das geht nicht, dann macht der Kleine Theater“. Na und? Die Kinder dürfen hier alles, das kümmert die Eltern gar nicht. Und sie sind gemein, richtig fies. Die Großen, aber auch die Kleinen. Unsere Kinder haben noch kein einziges Mal in ihrem Leben jemand anderen ausgelacht. Die Menschen hier tun dies (z.B. als einer der Jungs mit dem Fahrrad umgekippt ist). Wir haben mehrere Situationen erlebt, in denen die Kinder richtig gehässig gegenüber unseren Kindern oder richtig frech uns Erwachsenen gegenüber waren.

 

- Ich kann die Gemütslage der Kambodschaner nicht einschätzen: In fast jedem Bus wurden wir mit kambodschanischen Musikvideos gequält. Da man sich den Bildern nicht dauerhaft entziehen kann, bekommt man den Inhalt leider mit. ALLE Videos handeln davon, dass ein Partner den anderen betrügt. Die Stories drumherum reichen von harmlos (der Betrogene ist eben traurig) bis blutrünstig (der Betrogene fährt dem neuen Paar hinterher, es kommt zur Schlägerei, sie haut ihrem Ex mit einem Brett auf den Kopf, dieser liegt verblutend auf der Straße oder die Ex- Freundin ist so enttäuscht, dass sie einen Selbstmordversuch unternimmt, der Ex bekommt den Abschiedbrief zugestellt, rast ins Krankenhaus, sieht die Ex ein letztes Mal bevor sie stirbt. Das heftigste Video: glückliches Paar. Er geht zur Arbeit. Es klingelt an der Tür. Seine Frau mit kleiner Tochter steht draußen und erzählt ihr alles. Sie lässt ihn nicht mehr rein. Irgendwann dann doch, sie spazieren. Plötzlich taucht die Frau mit Tochter wieder auf, aber er will nicht. Dann wird die Frau vor den Augen ihrer Tochter vom Auto erfasst. Es endet im Krankenhaus, wo er zwar am Bett der Mutter sitzt, aber sich dann doch der Neuen zuwendet, als die zum Krankenbesuch kommt… Echt grausam!)

 

- Für mich am wenigsten durchsichtig sind die politische Situation und die Aufarbeitung der Vergangenheit. Jörgs Erzählungen von Pnohm Penh fand ich schon heftig. Das Angebot nach den killing fields doch zum Schießstand zu fahren und ein paar Handgranaten zu werfen ist nicht annährend nachzuvollziehen. Hier in Siem Reap werben sie mit dem „one and only war museum“. Mit das Schlimmste, was ich je gesehen habe, waren die Statuen, die bei der batcave aufgestellt waren und die Mordmöglichkeiten der Roten Khmer darstellten sowie der Fries rund um das Mahnmal bei Battambang. Anfangs dachte ich, dass dies dazu dienen sollte, dass man nicht vergisst. Jörg meinte, dass es vielleicht für die vielen Analphabeten gedacht ist. Nachdem uns vor der Zirkusvorstellung ein Deutscher, der in Battambang arbeitet, erzählte, dass der Chef der einen, einzigen Partei offen sagt, dass es Krieg gäbe, wenn er nicht wieder gewählt würde und dass alle Politiker über 45 alte Rote Khmer seien, vermute ich, dass die Statuen zur Abschreckung gedacht sind. Wenn man das hört und weiß, dass die Menschen hier zahlen müssen, um gute Jobs zu bekommen (ein Lehrer verdient 17 Dollar im Monat, eine Lizenz als Guide im Angkor War kostet 3000 Dollar), wenn man sieht, dass es im ganzen Land so gut wie keine Fabrik gibt und die einzigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen im Verkaufen von Essen, von (zu 100% importierten) Lebensmitteln und im Tuk-Tuk- fahren und Zimmer vermieten besteht, dann fragt man sich (zumindest ich mich), wie die Bevölkerung jemals einen Weg aus der Diktatur finden soll. Ich sehe keinen- und das macht mich unendlich traurig! 

 

- Von diesen humanitär- katastrophalen Bedingungen (wobei ich ausdrücklich sagen muss, dass ich nicht das Gefühl habe, dass die Menschen hier bettelarm sind und hungern. Das glaube ich nicht!) ablenken kann das Angkor Wat dann leider auch nicht. Angkor war die alte Königsstadt mit einem unfassbaren Ausmaß. Der Bayon- Tempel mit seinen 216 Gesichtern und einige Tempelanlagen, die wir am zweiten Tag gesehen haben, waren wirklich wunderschön und gehören sicherlich mit zu den schönsten Anlagen, die ich kenne. Angkor Wat (also der Tempel), der die größte sakrale Stätte der Welt ist, hat mich kaum beeindruckt.

 

 

 

Mein Fazit:

 

Der Besuch des Angkor Wat war ein Highlight, das ich auf dieser Reise sehen wollte. Nun habe ich es gesehen und bin froh darüber. Den Rest von Kambodscha hätte ich, nach heutigem Stand, nicht sehen müssen. Das Land besitzt nicht die wunderschöne Natur, die Laos hat, weil die Roten Khmer alles in Reisflächen umwandeln ließen, damit sie mit den Chinesen Reis gegen Waffen tauschen konnten. Wir haben nur vereinzelt Menschen getroffen, die ich als freundliches Highlight dieses Land bezeichnen könnte. Die mafiösen Verhältnisse, die zunehmende Macht der Chinesen und das ungute Gefühl, dass dieses Volk für immer unterdrückt bleiben wird oder aber eine blutige Revolution kommen muss, lassen kein Urlaubsfeeling aufkommen. Schade! Das einzig Gute: Man kann hier durchaus gefahrlos rumreisen (als Ausländer, die Einwohner müssen dagegen auch mit „Verschwinden“ rechnen, wenn sie etwas Falsches sagen, erzählte man auf Koh Rong). Auch als Frau braucht man keine Angst haben, weil sich hier kein Mann erlauben würde, eine Frau anzubaggern oder anderes zu tun. Sicher fühlten wir uns zu jedem Zeitpunkt!

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Deine Schwester (Sonntag, 06 März 2016 15:53)

    Ach, Nina....

    Dein Text macht sehr betroffen, es tut mir leid um dieses Land und die Menschen, die dort ausharren müssen.
    Daß sie so ohne Mitgefühl, so "gemein" sind, wie Du schreibst, liegt vermutlich an der jahrzehntelangen Diktatur und all ihrem Schrecken: Mitgefühl muß man sich halt auch leisten können....

    Aber das Bild von Euch beiden finde ich wunder-, wunderschön, Ihr seht richtg glücklich aus und darüber freue ich mich von ganzem Herzen !

    Feste Umarmung an Dich und Deine ganze Meute.
    Wir denken an Euch !


  • #2

    Peter (Montag, 07 März 2016 01:32)

    Mal wieder vielen Dank an dich, liebe Nina, für dein Länderfazit, diesmal Kambodscha. :-) Also erstmal das Bild von euch beiden: Streß sieht anders aus, oder?! :-) Interessant, daß Städte wie Battambang bereits als Partymeile ausgerufen sind, kulturell kein gutes Zeichen für das Land, aber scheinbar die einzige pekuniäre Zukunft. Ich hege die naive Vorstellung, daß auch Rote Khmer irgendwann aussterben ... Dein detailliertes Echauffieren dieses Videos lassen mich schon schmunzeln ... ;-)
    Laßt es euch weiter gutgehen! :-)
    Liebe Grüße
    Peter

  • #3

    Holger (Montag, 07 März 2016 22:58)

    Liebe Nina, danke für dieses Länderfazit. Deine Worte geben einen intensiven Eindruck von dem, was Du (ihr) dort erlebt habt. Oh ja, dass da viele Fragezeichen bleiben, kann ich gut nachvollziehen. Manches davon ist schon aufgetaucht, als ich die Einträge während eures Aufenthalts in diesem Land gelesen habe. Für mich wirkt Kambodscha nicht einladend. Die unendliche Traurigkeit, über die Du schreibst, teile ich mit dir. Die Vereinten Nationen stufen das Land als "least developed country" eine. Es gehört zu den ärmesten Ländern der Welt - da beißt die Maus kein Faden ab, ob man das nun "glaubt" oder nicht. Das Land gehört zur "Vierten Welt" - das erklärt auch, warum wohl jeder Westeuropäer dort vor lauter Müll und Dreck den Eindruck bekommen muss, die Leute dort denken, es gäbe eine zweite Erde

    Umweltschutz schein ein Luxusanliegen zu sein. Wenn es das nur wäre! Es waren / sind die Länder mit dem höchsten Lebensstandard, Luxus, welche die Gesamtklimalage des Globus dorthingebracht haben, wo sie ist. In einer Schräglage, die Tim, Domi und Max - spätestens aber deren Kinder - noch das wahre Grauen lehren wird. Es sind nicht die stinkenden Klaoken und auch nicht Plastikmüllberge und auch nicht die Schwermetalle, die aus (all?) den dortigen ungesicherten Mülldeponien in des Trinkwasser sickern, die den Globus zerstören.
    Nein, die globale Klimakatastrophe geht auf die Kappe der sog. Ersten Welt. Und es wird gesagt werden, "dass hätte man doch wissen müssen", dass der Lebensstil so vieler Menschen, dass das Verbrennen und der Verbrauch fossiler Energieträger zur globalen Katastrophe führt. Wir konnten es wissen: der Bericht des "Club of Rome" (1972 "Die Grenzen des Wachstums") und auch das "Kyoto-Protokoll" von 1997 könnte schon seit rund vierzig Jahren (mindestens aber seit rund zehn Jahren) zentrale Richtlinine des politischen (= wirtschaftlichen...) Handelns sein. Oder im Curriculum der Schulen Schwerpunktthema.

    Was interessiert uns denn tatsächlich Kambodscha? Für die Weltengemeinde ist dieses Land ein unangenehmer, aber akzeptierter Pickel am Arsch der Völkergemeinschaft.
    Klar, ein Vergleich nach unten geht immer - die Schuld des Einen rechtfertigt nicht die Schuld des Anderen. Mich würden die Umweltschäden vor Ort in Kambodscha, hätte ich sie vor Augen, auch anwidern, beängstigen und irritieren.
    Das schöne am Reisen ist, dass man mit so vielen Wahrheiten konfrontiert wird. Mit, zunächst, gleichwertigen und gleichberechtigten Wahrheiten. Alle haben ihre Ursache. People are different - und wir Europäer haben auf das, was wir sind, noch den maximal größten Einfluss. Wir können uns "verwirklichen". Kann ein Kambodschaner nicht. Habe noch keinen getroffem, der mir von seinem "round-the-world"-Trip erzählt hat. Demut, Dankbarkeit und Pflicht, qua meiner Geburt in Europa, würde mich immer wieder dazu auffordern meine Sicht der Dinge zu hinterfragen und mich auch dazu auffordern, möglichst nicht zu urteilen.

    Liebe Grüße
    Holger