Die Killing-Fields und das Foltergefängnis Tuol Sleng

Auch Mönche wurden nicht vom Terror der Roten Khmer verschont
Auch Mönche wurden nicht vom Terror der Roten Khmer verschont

15.02.

 

Jörg schreibt:

 

Heute möchte ich mir das Tuol-Slengmuseum, ein Foltergefängnis der Roten Khmer, und die Killing Fields in Choeung Ek anschauen. Das ist kein  Thema für die Kinder, so werde ich die Tour heute alleine machen.

 

Am Morgen frage ich in unserer Rezeption nach einem Mototaxi. Sofort greift die werte Dame nach dem Handy. Schön, dass sie ihren Fahrer nicht erreicht hat, denn ich wollte eigentlich den Preis aushandeln. Auf meine Frage, wo ich denn den nächsten Fahrer fände, zuckte sie nur mit den Schultern. Kaum hatte ich das Guesthouse verlassen, kam schon ein Fahrer auf mich zu. Keiner gönnt hier dem anderen einen Gewinn.

 

Wir haben uns nach zähen Verhandlungen auf 8 $ für den Tag geeinigt. Wenn die Fahrer ihre Familien ins Spiel bringen, dann ist das für mich ein K.O. –Kriterium und ich akzeptiere den Preis. Sie können das Geld gebrauchen, andererseits versuchen sie immer (!), uns über das Ohr zu hauen.

 

Ich nehme auf dem Motorrad (natürlich ohne Helm) Platz und wir knattern durch den dichten Verkehr von Phnom Penh. Es ist ein tolles Gefühl, mitten im Gewusel zu sein. Der Fahrer nutzt jede Lücke, um vorwärts zu kommen. Ist auf der Fahrerseite kein Platz, wird kurzerhand die andere Straßenseite benutzt. An einer Bäckerei bitte ich anzuhalten. Hier gibt es knackige Baguettes. Lecker ! In Choeng-Ek angekommen, will der Fahrer mir irgendetwas mitteilen. Ich verstehe es nicht und bitte ihn, wie vereinbart zum ehemaligen Lager zu fahren.

 

 

 

Killing Fields gibt es überall in Kambodscha, in Choeung Ek ist die zentrale Gedenkstätte errichtet worden. Es werden lehrreiche 2.30 Stunden, die viel über die Geschichte der Roten Khmer preisgeben. Erschreckend, was die Khmer ihren eigenen Landsleuten angetan haben. Die blutigen Spuren sind bis heute dort zu sehen.

 

Auf die Nerven gingen mir bettelnde Kinder, die von Amerikanern mit Dollar gefüttert wurden. Ich habe ihnen den Rat gegeben, zur Schule zu gehen, statt am Zaun zu betteln. Unverantwortliche Eltern, aber solange sie täglich genügend Dollar erbetteln, scheint für einige Familien das Betteln lukrativer.

 

 

 

Was bleibt noch von dem Besuch der Gedenkstätte ? Der Kader der „Organisation“ der Roten Khmer bestand aus Intellektuellen, vor allem aus Lehrern ! Wie man nach der „Machtübernahme dann alle Intellektuellen umbringen - und Kinder als Folterknechte einsetzen kann, bleibt mir ein Rätsel. Ansonsten scheinen sich Paul Pot und Genossen intensiv mit allen Terrorregimen der Geschichte beschäftigt zu haben. Die Erschaffung des „neuen Menschen“ und einer „reinen Gesellschaft“, das kennen wir doch irgendwoher. Traurig, dass aus der Geschichte nicht gelernt wird, traurig, dass die Schergen weitgehend lange straffrei davongekommen sind. Traurig, dass Amerika dabei wieder einmal eine unrühmliche Rolle spielt. Die Leidtragenden sind die kambodschanische Bevölkerung, die im Norden in die Steinzeit gebombt wurde und im Süden durch Flucht, Folter und Vertreibung auf ewig ein armes Land bleiben wird. Unfassbar: Die Roten Khmer flohen nach der Befreiung der kambodschanischen Bevölkerung im Jahr 1979 in den Dschungel im Norden und durften weiter schalten und walten. Die USA erwägten 1991 ernsthaft, Paul Pot wieder als Regierungschef einzusetzen, und das, obwohl er ein Viertel seiner Landsleute hat umbringen lassen !

 

 

 

Auf dem Rückweg raunzt mir der Fahrer wieder irgendetwas zu. „One kilometer“ ! Hä ??? Was will er von mir ? Ich lasse ihn mal machen, als er an der Kreuzung in die falsche Richtung fährt. Etwas abseits kommen wir an ein Tor. Man öffnet uns und schiebt das Tor gleich wieder zu. Man führt mich in eine Halle, dort hängen Maschinenpistolen, Panzerfäuste, einfach alle Waffen, die kranke Menschen zur Selbstbestätigung brauchen. Man reicht mir die Preisliste. Jetzt wird mir klar, was ich hier machen soll. Ich lehne dankend ab und versuche meinem Fahrer klar zu machen, dass mir eine Welt ohne Waffen lieber wäre. Und so knattern wir wieder zurück nach Phnom Penh, wo wir in das berühmte S-21 Gefängnis fahren. Dort angekommen, verlangt mein Fahrer plötzlich mehr als den vereinbarten Preis. Ist mir bis jetzt in Asien noch nicht begegnet und finde ich dreist. Er bekommt seine 8 Dollar und schließlich trennen sich unsere Wege in Toul Sleng und er kann wieder auf Kundenfang gehen. Dort werde ich bis zum Abend bleiben. Es würde den Rahmen sprengen, im Detail darüber zu berichten. Nur soweit: Seit 1980 ist das Foltergefängnis Gedenkstätte und weitgehend so belassen worden. Man sieht die Blutflecken auf den Fliesen und die blutigen Abdrücke an den Wänden. Harter Tobak ! Nach den unzähligen Geschichten der Opfer über den hervorragenden Audioguide und zahlreiche Tafeln brauche ich Luft und setze mich in den Innenhof. Auch hier scheinen, trotz Palmen- und Obstgartenidyll ( die Folterstätte war vorher eine Schule ), die Schrecken des Generals Duch lebendig. Ich bin froh, am Abend das Gelände wieder verlassen zu können. Neben den Foltergebäuden läuft laut Musik, die Stände verkaufen Essen, business as usual. Die 2 Kilometer zum Guesthouse gehe ich zu Fuß zurück.

 

                                                                                                

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Holger, Teil 1 (Montag, 15 Februar 2016 23:00)

    Lieber Jörg,

    danke für den Bericht - der es geschafft hat, mir am heimischen PC das pure Frösteln in die Hände und einen sehr flaues Gefühl in den Magen zu treiben. In einem Emailkontakt hatten wir uns vor wenigen Wochen über Kambodascha ausgetauscht. Damals auch unter dem Eindruck des aktuellen "Urlaubsberichts" meines Bruders nach seiner Rückkehr aus Kambodscha. Es mich geradezu erschaudern lassen, als ich diese Zeile von Dir las: "...auf ewig ein armes Land bleiben wird." Das waren geradezu die Worte meines Bruders. Nichts und Niemand auf der Welt interresiert sich für das Land, die Menschen dort. Bis auf die Chinesen... .

    Dazu ein Auschnitt aus dem Länderbericht der Konrad Adenauer Stiftung e. V. (Denis Schrey, Andreas Breitbach
    11 /2012) :

    "Kambodscha weist eine negative Handelsbilanz auf – die Importe übersteigen die Exporte um ein Vielfaches.
    Nahezu alle Industrie- und Konsumgüter müssen importiert werden, da Kambodschas Industriesektor zu wenig ausdifferenziert ist und es für viele Industrie- und Agargüter keine Produktionsbasis im eigenen Land gibt. Die erforderlichen Importe stammen größtenteils aus China und den direkten Nachbarn, während der größte Teil der
    arbeitsintensiven Exporte in asiatische Handelsdrehkreuze wie Singapur
    und Hongkong sowie an die westlichen Endverbraucher gehen.
    Dies zeigt deutlich, dass Kambodscha eine sehr unvorteilhafte Rolle im internationalen Handel innehat: Es ist einerseits Absatzmarkt für China und seine Nachbarstaaten, kann in diese Staaten aber keine eigenen Produkte exportieren. Die Exporte, größtenteils Textilprodukte, werden überwiegend in westliche Staaten
    (USA, EU, Kanada) exportiert. Dort findet auch die eigentliche Wert-
    schöpfung statt – der tatsächliche Gewinn für Kambodscha ist äußerst
    gering. Rohstoffexporte spielen derzeit noch keine Rolle. Dies könnte sich jedoch mit der bevorstehenden Erschließung von offshore Öl- und
    Gasfeldern im Golf von Thailand ändern."

    Und die kambodschanische Volkswirtschaft wird dann also davon profitieren? Aus "Killing Fields" werden also mittelfristig "blühende Landschaften" in Kambodscha? Das kann ich kaum glauben.

  • #2

    Holger, Teil 2 (Montag, 15 Februar 2016 23:02)

    Aus einer aktuellen Presseinformation:
    "Der globale Bau- und
    Bergbaumaschinenhersteller XCMG nahm an der offiziellen Feier
    anlässlich des Baubeginns für das Eisenbahnprojekt China-Thailand
    teil, die am 19. Dezember am Bahnhof Chiang Rak Noi in der
    zentralthailändischen Provinz Ayutthaya stattfand.
    Das Projekt für Hochgeschwindigkeitszüge überbrückt 845 Kilometer,
    führt durch 10 Provinzen Thailands und wird einen Bahnbetrieb mit
    Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 180 Kilometer pro Stunde mit
    potenzieller Hochstufung auf bis zu 250 Kilometer pro Stunde
    ermöglichen. Fertigstellung und Inbetriebnahme des vier Abschnitte
    umfassenden Bahnbaus sind für 2020 geplant."

    Mensch, toll! Wenn die Endstation an der Grenze zu Kambodscha liegt, dann erschlägt die Tram ja beinahe vier Fliegen mit einem Zug... . Die Chinesen, die machen sich ja echt verdient um den Ferntourismus. Wie nobel und selbstlos - Mensch, Mensch, diese Chinesen aber auch.
    Wie weit ist Kambodscha davon entfernt ein chinesicher Klientelstaat zu werden? Die roten Brüder im Geiste werden sich verständigen. Hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen sind / waren sie auf breiter Front auf ganzer Linie. Was dem einen die "Kulturrevolution (Großer Sprung)" ist, sind dem anderen die "Roten Khmer".

    Und dann denke ich mir noch "schlimmer geht's nimmer" - aber tatsächlich heißt es wohl doch "schlimmer geht's immer". Dazu ein Link, der zu einem Beitrag aus einer ttt-Sendung führt - ganz aktuelle zu Deinem Ausflug nach Tuol Sleng: https://www.youtube.com/watch?v=X0pQ5qVRtR8
    Demnach haben die alten K(naben)hmer große Pläne mit dem UNSECO Weltdokumentenerbe. Der Bericht ist von 2010 - auf der offiziellen Seite des Tuol Sleng Genocide Museum ist davon aktuell nichts zu lesen. Dennoch vielleicht ganz gut, dass Du jetzt dort warst, denn zukünftig könnte ein Besuch dort ein "no go" werden. Schon jetzt ist auf der Seite zu lesen "Please note a visit here is not for those easily distressed , nor suitable for children." Zukünftig muss dieser Hinweis vielleicht ergänzt werden mit "Only for visitors, who don`t get the great vomiting cause of our past and the presently outcome of this."

    Suerte,
    Holger

    P.S. Die Kinderchen dort sind ganz arm dran. Ich befürchte, sie leben tatsächlich "vom Brot allein". Traurig. So müssen diese Geschöpfe, von denen Du berichtest, nur ihre Hand hinhalten, um zu überleben / die Familie mit durchzubringen. Andere Kinder in Kambodscha müssen was ganz anderes dafür hinhalten. So siehts doch aus. Ja, ich glaube jeder Dollar in einer bettelnden Kinderhand dort ist ein "guter" Dollar. So von Mensch zu Mensch gesehen. Es ist ein Dilemma, in dem ich genauso wäre, wie Du es bist. Als alter Pfadfinder würde ich versuchen, so glaube ich, als Reisender in einem so jämmerlich armen Land "jeden Tag eine gute Tat" zu vollbringen. Würde mich vom einem Tuck-Tuck-Fahrer auch nicht dreist und plumb abzocken lassen, wenn es um den Preis seiner Dienstleistung geht. Und auch sonst würde ich sicherlich nicht die leicht-zu-rippende-dumme-Langnase abgeben. Aber 'nen Brötchen wäre für ihn mit in der Tüte vom Bäcker.

  • #3

    Peter (Montag, 07 März 2016 00:20)

    Natürlich kennt jeder diese Bilder aus Choeung Ek, aber dort so Unbeschreibliches zu besichtigen, übersteigt jedes Fassungsvermögen und muß verdaut werden. Du hast das gut beschrieben lieber Jörg.
    Danke lieber Holger für deinen Kommentar, sehr interessant and I totally agree. Jörg, bitte auch ein Brötchen von mir! :-)
    Liebe Grüße
    Peter